Ohne uns selber loben zu wollen, aber wir waren recht gut vobereitet. Aber der Reihe nach: Ursprünglich hatte ich geplant, Freitags früh Feierabend zu machen, noch kurz Besorgungen zu machen und Henry zu waschen. Aus „früh“ wurde dann ca. halb drei und so ziemlich jede Waschanlage und jeder Waschplatz waren zum Bersten voll.
Ich habe Henry dann in der heimischen Einfahrt etwas gesäubert. Da das bei uns ja nur noch mit klarem Wasser gestattet ist, eher schlecht als recht, aber er war einigermaßen vorzeigbar. Die Dachbox kam dann auch gleich drauf.
Den Samstag haben wir dann mit packen und einpacken verbracht – wobei mir dann gleich der Tragegriff meines frisch erworbenen Amazon Kamera-Rucksacks gerissen ist – und wir sind zeitig schlafen gegangen, um Sonntagmorgen wie geplant aufbrechen zu können.
Den Plan um 8 Uhr los zu fahren, haben wir dann sogar einhalten können. Da die Autobahnen entsprechen leer waren, konnten wir auch darauf verzichten, eventuelle Staus zu umfahren. Eine Woche vorher hatten wir in Essen die Gelegenheit, die Graffitis an der Verbindung der A52 zur A40 zu studieren. Um hier nicht wieder stehen zu müssen, hatten wir überlegt, vor Dortmund auf die A1 abzuzweigen und dann in Duisburg wieder auf die A40 zu fahren. Das konnten wir aber getrost fallen lassen.
Kurz vor der holländischen Grenze in Neukirchen-Vluyn, haben wir noch kurz zum (McDoof)-Frühstück und zum Tanken gestoppt. Nötig war es nicht unbedingt, aber es war eine gute Gelegenheit Junior etwas zu besänftigen. Lange Autofahrten sind für vierjährige Kinder halt recht langweilig.
Nach etwas zähfließendem Verkehr bei Antwerpen und Gent, waren wir dann auch früh genug in Dünkirchen, um uns die malerische Hafenanlage in Ruhe anzusehen. Scherz, der Fährhafen ist nicht gerade ein Ort um sich wirklich wohl zu fühlen. Selbst der Aufenthaltsbereich hat einen eher morbiden Charme … wenn überhaupt. Dafür ging die ganze Abwicklung incl. Boarding recht störungsfrei. Lediglich der britische Grenzbeamte wollte mal einen Blick in den Kofferraum werfen, vermutlich um zu sehen, ob die bekloppten Deutschen einen Reisekoffer in den MINI-Kofferraum gequetscht haben. Haben Sie natürlich nicht, aber dazu später mehr.
Unsere Fähre sollte um 16:00 ablegen und zum Check-In muss man mindestens 45 Minuten vorher da sein. Wir waren aber gegen 14:00 schon da, hatten also genug Zeit. Zuerst habe ich mir allerdings noch Gedanken gemacht, wie wir denn um 18:00 in der Unterkunft sein sollen, wenn die Fähre zwei Stunden braucht und wir noch etwa 40 Kilometer zu fahren haben. Bis mir eingefallen ist, dass England ja nach Greenwich-Zeit tickt, wir also eine Stunde „geschenkt“ bekommen haben.
Die Überfahrt war soweit recht ereignislos. Wir haben versucht uns ein wenig zu entspannen und vielleicht eine Kleinigkeit zu essen und zu trinken. Sohnemann hatte irgendwann die Spieleecke und den zugehörigen Fernseher entdeckt und war soweit zufrieden. Die Fährroute ist sowas wie ein breiter Grenzstreifen. Man hat die Wahl entweder mit Euro oder Pfund zu bezahlen, Hauptsprache ist englisch. Auf halber Strecke wurde auch plötzlich das Wetter sehr britisch. Hatten wir in Dünkirchen noch bei Sonne abgelegt, begrüßte uns Dover mit typisch britischem Regenwetter. Die Kreidefelsen waren nur zu erahnen.
Dann hieß es auch schon – naja, die Überfahrt dauert alles in allem etwa zwei Stunden – wieder einsteigen und die Fähre verlassen. Und das auch noch auf der falschen Straßenseite. Aber, wie schon geschrieben, an den Linksverkehr gewöhnt man sich sehr schnell.
Unsere erste Übernachtung war in Tenterden bei Ashford in einem hübschen, kleinen Hotel incl. Pub, in dem jeder deutsche Brandschutzexperte/Bausachverständige/Hoteltester vermutlich das blanke Entsetzen bekommen hätte. Schiefe Treppen, niedrige Balken, kurz: alles anders als in Deutschland, aber urgemütlich und herrlich altmodisch. Das sollte sich übrigens bei den meisten Unterkünften wiederholen.
Wir hatten die komplette Reise über eine Agentur in Deutschland gebucht, hatten also für alle Unterkünfte incl. Frühstück einen Voucher. Den brauchten wir nur abgeben, ein Formular ausfüllen und fertig. Kleine Anmerkung am Rande: da ich der Agentur nicht ins Handwerk pfuschen möchte, verkneife ich mir die Namen der Unterkünfte.
Da wir mit Kind reisten, hatten wir überall ein angenehm großes Familienzimmer. Im Regelfall war das ein Doppelbett für uns und eine Schlafcouch für den Kurzen, ein angrenzendes Badezimmer und meist ausreichend Platz.
Allerdings zeigte sich gleich der erste Fehler unserer Planung: unseren „Reisekoffer“, die große IKEA-Tasche, habe ich nur einmal vom Parkplatz zum Zimmer und zurück geschleppt. Da die für zwei Wochen ordentlich gefüllt war, war sie entsprechend schwer. Wenn man dann auch noch rund 100m vom Parkplatz zum Hotel und dann noch 1,5 Etagen auf schiefen schmalen Treppen damit vor sich hat, ist das kein Spaß. Zumal die Tragegriffe ordentlich in die Hände schneiden. Wir haben die Tasche für den Rest der Reise (außer einmal mittendrin) im Auto gelassen. Das ist auch nicht viel besser, weil man jedesmal in den Untiefen der Tasche wühlen muss, bis man gefunden hat was man sucht, aber man braucht sie wenigstens nicht schleppen.
Für das nächste Mal erwäge ich den Bau eines kleinen Regals im Kofferraum. Man könnte die Klamotten natürlich auch so in den Kofferraum legen, aber vermutlich liegt dann doch das was man braucht irgendwo unten drunter und man fängt wieder an zu wühlen. Mal schauen.
Nach einem leckeren Burger und einem großen Glas Cider ging es dann ins Bett. Da wir am nächsten Morgen trotzdem früh wach waren, haben wir ein paar Minuten die Nachbarschaft erkundet, bevor wir uns dann dem typisch englischen Frühstück gewidmet haben.
Den Tag haben wir dann quasi mit einer Rundfahrt durch die Grafschaft Kent verbracht. Henrys Sauberkeitsstatus war nach dem Regen vom Vortag sowieso schon wieder nach unten gerutscht, aber die britischen Tauben ließen es sich trotzdem nicht nehmen, ihn auch noch artgerecht zu begrüßen. Ein großer Kleks zierte das hintere Seitenfenster.
Angefangen haben wir mit Bodiam Castle, einer Burgruine incl. Wassergraben (da schwamm irgendwas Großes drin, ich tippe auf einen fetten Karpfen). Rein konnte man leider nicht, aber auch von aussen ist das Ding recht imposant. Wir waren so gesehen etwas zu früh da, man war gerade dabei, einen Mittelaltermarkt aufzubauen. Hätten wir den aber im laufenden Betrieb erlebt, hätten wir Sohnemann nicht so schnell wieder weg bekommen, und der Rest des Tages wäre quasi gelaufen gewesen. So sind wir nach gut einer Stunde weiter nach Sissinghurst Castle, etwas weiter nördlich.
Auf der Strecke ist mir dann auch klar geworden, warum die Engländer die Nordschleife so lieben. Die Landstrassen sind eng und kurvig, haben blinde Ecken, Kuppen und Senken. Also quasi wie der Ring, nur mit Gegenverkehr und Tempolimit.
Das „Castle“, eigentlich ein größeres Gutshaus mit Turm, war hierbei weniger das Ziel, eher der angrenzende Garten. Wenn man gerne englische Gärten ansieht, ist das auf jeden Fall ein empfehlenswerter Ort. Wobei ich hierbei die deutsche Touristin sehr interessant fand, die sich darüber „beschwerte“, dass das ein typisch englischer Garten mit „Cluster hier und Cluster da“ sei, und ja nicht mit den französischen Gärten vergleichbar. Ja, deswegen liegt Sissinghurst ja auch in England und nicht in Frankreich.
Kurz für Autoverliebte: auf dem Parkplatz stand ein Ford Model-T. Einfach so, Engländer sind so. Das (späte) Mittagessen haben wir uns dann in Royal Turnbridge Wells gegönnt, nochmal ein Stück weiter westlich von Sissinghurst. Eigentlich wollten wir die Pantiles besuchen, die haben wir aber, warum auch immer, nicht gefunden. Stattdessen sind wir dann noch nach Groombrigde Gardens gefahren, ganz in der Nähe von Turnbridge Wells. Neben einem hübschen Garten gibt es hier auch noch eine Art Freizeitpark. Für Sohnemann war das recht ideal. Nach einer kurzen Bootsfahrt sind wir bei einer Peter-Pan-Aufführung gelandet, wo wir aber nur den Schluss mitbekommen haben. Die Kinder durften danach die als Bühne dienende Kletterlandschaft unsicher machen. Nachdem er das dann durch hatte, sind wir durch den Park wieder zurück gestiefelt, an Dinosauriern und Drachen (oder den Resten davon) vorbei, zu einem Piratenversteck, Indianerzelt, einer Riesenschaukel (war lustig) und dem Zedonk-Gehege (eine Mischung aus Zebra und Esel, und tierisch eitel) vorbei wieder zurück zum Garten. Während sich Biene den Garten angesehen hat, hat sich der Kurze dann noch im Irrgarten ausgetobt.
Für die Greifvogel-Flugschau waren wir zu spät, aber wir konnten uns die Vögelchen dann noch in Ruhe am Ausgang ansehen. Die Dame hier im Bild ist übrigens ein „Bald Eagle“, also ein Weißkopfseeadler, heißt Helga und kommt aus Deutschland.
Danach waren wir auch ordentlich platt und haben den restlichen Abend damit verbracht, den nächsten Tag zu planen und schonmal alles wieder zu packen. Sohnemann hat sich derweil Biene Maja auf Englisch im Fernsehen angesehen.